
18
May
2008
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- Veröffentlicht: 18. Mai 2008
trategien für die Umsetzung der Marketingziele wird es immer geben müssen. Jedoch sollte ein Guerilla sich um die verstärkende Wirkung von Visionen bewußt sein. Und die Firmendoktrin sollte klarstellen, daß die Vision über der Strategie steht. Spätestens wenn in Krisensituationen das überforderte Krisenmanagement beim Nachblättern im Handbuch keine vorweggenommene Vergleichssituation bzw. Ratschläge zu deren Bewältigung findet, zeigt sich die Bedeutung und die Stärke von Visionen. Je stärker diese visualisiert wurden, desto eher wird vor allem in Krisensiutationen jeder Mitarbeiter instinktiv richtig handeln, auch wenn es für die gegebene Situation keinen Präzidenzfall gibt. Darüber hinaus dreht sich das Marktkarussel in manchen Branchen so schnell, daß zu "eng" geschriebene Strategien in kürzester Zeit Makulatur sind und stetig überarbeitet, angepasst und erweitert werden müssen. Das bindet Zeit und Know-How im Management. Auch wenn es Ihnen reichlich marzialisch vorkommt, aber am leichtesten läßt sich die Anwendung und vor allem die Wirkung von Vision und Strategie in einer Gegenüberstellung aus unserer jüngeren Geschichte erklären: Der Vietnamkrieg. Ein Paradebeispiel des Guerillakriegs und ein trauriges Kapitel des klassischen Strategiedenkens, das nicht begreifen will, daß Visionäre die Realität schneller erfassen als jeder noch so erfahrene Autor eines Handbuchs für Kriegsführung. Der Guerilla handelt, während der "Ausführer" einer Strategie nach Vergleichssituationen und Ratschlägen blättert.

Die Vision definiert die angestrebte Idealsituation, ohne allzu konkret auf den Weg dorthin einzugehen.
Und das ist gut so. Denn jeder Mensch ist verschieden, verfügt über andere Erfahrungswerte wie sein Nächster, hat einen anderen Wissensstand und steht auf einem etwas anderen emotionalen Niveau. Dementsprechend werden zwei Menschen nur sehr selten eine gestellte Aufgabe exakt gleich anpacken. Sagt man Ihnen jedoch anhand einer zu konkret niedergeschriebenen Strategie, wie sie das gestellte Problem anzugehen haben, beraubt man sie des individuellen Weges. Und der ist nicht nur für den Mitarbeiter selbst wichtig, sondern auch für das Unternehmen. Frederik Vester, ein Münchner Gehirnforscher wundert sich heute noch über unser Schulwesen, daß nach wie vor kaum Rücksicht auf unterschiedliche Lerntypen nimmt. Obwohl die technischen Möglichkeiten inzwischen zur Verfügung stehen würden, wird immer noch nach einem Schema gepaukt - und zwar jenes des Autors, der gerade das aktuell verwendete Lehrbuch verbrochen hat. Oder es wird die Strategie jenes beamteten Pädagogen im Unterrichtsministerium durchgezogen, der sich bei der alljährlichen Debatte um den Lehrplan durchsetzen konnte. Jetzt werden Sie sicherlich enwenden, daß es zur Durchsetzung eines Weges eben Vorgaben geben müsse. Man könne ja nicht bei jedem Mitarbeiter voraussetzen, daß er mitdenkt und unternehmerisch handelt. Das ist wahr. Ich habe in vielen Unternehmen Mitarbeiter erlebt, die ihre Arbeitszeit abgesessen haben und bei denen es mir unwahrscheinlich erschien, sie alleine vor sich hinwursteln zu lassen. Doch ich glaube daß solche Mitarbeiter hausgemachte Probleme sind. Wo keine Vision, kann auch keine Motivation sein. Und es reicht auch nicht aus, daß die Vision im elitären Kreis des Managements zelibriert wird. Eine Vision muß hinausgetragen werden, in das gesamte Unternehmen, zu jedem Mitarbeiter an der Maschine, zu jeder Putzfrau und natürlich hinaus in den Markt. Visionäre Unternehmen sind schneller und flexibler, weil sie jedem einzelnen Entscheider die Verantwortung zutrauen, nach seinem Empfinden zu entscheiden. Und das läuft wesentlich schneller (weil instinktiv) ab, als die Orientierung an einer Entscheidungsrichtlinie. Und noch etwas: Eine Vision, die erfolgreich führen will, darf sich nicht damit begnügen, zu definieren, wogegen man ist, sondern muß vor allem darstellen, wofür man kämpft.

Wer eine klare Vision (oder zu Neudeutsch "Unternehmenskultur") lebt und darstellt, wird seinen Mitarbeitern nicht jeden kleinen Schritt vorgeben müssen. Unter dem Dach der Vision entsteht eine Symbiose und Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten, die keine Strategie der Welt auch nur im Entferntesten andenken, geschweige denn niederschreiben könnte.
Eine Vision verlangt einen autoritativen Führungsstil und flache Hirarchien. Ich habe den Gedanken der Vision sogar noch ein wenig weiter gespunnen. Denn oft ist es schwierig eine Vision so in Worte zu fassen, daß sie sich wirklich dem Produktmanager ebenso wie dem Mann an der Maschine eröffnet. So lasse sich Visionen beispielsweise als "Corporate heros" darstellen. (Mehr dazu in meinen Seminaren!).
Im Vietnamkrieg hatten die US-Truppen zwar eine Strategie, aber die einzelnen Soldaten eigentlich keine Vision. Bei den teilweise Wehrpflichtigen, die überhaupt nicht begriffen, was dieser Dschungelkrieg mit ihrem Heimatort in Oregon und Kentucky zu tun hatte, verlor auch die vorgegaukelte Geschichte von der Heimatverteidigung gegen den aufkommenden Weltkommunismus irgendwo zwischen Malariafieber und Napalmoffensive seine Glaubwürdigkeit. Die Strategie, nach der vorgegangen wurde, beruhte in großen Teilen auf Szenarien des 2. Weltkriegs, auf Stellungskrieg und vor allem auf der Annahme eines "sichtbaren" Feindes. Charly war aber nicht sichtbar. (siehe Bild unten: Vietkongversteck Erdtunnel/Quelle Wikipedia: GNU Free Documentation License)

Der Strategiehörige kennt zwar die nächsten Schritte, die sein "Handbuch" vorschreibt, er kennt aber nie die ganze Story. Und dementsprechend wird er hilflos überfordert sein, wenn sich die gegebene Situation dramatisch ändert und er in seinem Erfahrungsschatz auf keine vergleichbare Standardsituation zurückgreifen kann.
Strategie beschreibt einen Weg, der auf einem bestimmten Szenario beruht (Ausgangssituation, Parameter auf dem Weg, Ziel). Selbst wenn man versucht, den möglichen Parametern einer Veränderung entsprechende draus resultierende Maßnahmenänderungen gegenüber zu stellen, wird man dennoch niemals jede mögliche Situation vorausahnen können. Selbst Marketing-Vordenker wie Michael Goold und Andrew Campbell geben z.B. bei der Führung von diversifizierten Konzernen der Finanzkontrolle (oder zumindest der strategischen Kontrolle) den Vorzug gegenüber einer sehr streng von oben bestimmten strategischen Planung. Rein auf die ökonomischen Ergebnisse als Kontroll-Parameter verlassen kann man sich freilich nur dann, wenn man sein Management durch Visionen gestärkt zumindest in die richtige Richtung marschieren sieht.