
16
Jan
2008
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- Veröffentlicht: 16. Januar 2008
Die Pflicht zum Umweg kennen wir z.B. aus klassischen Ideenfindungs-Techniken wie Brainstorming, Brainwriting oder vor allem der "Lexikonmethode". Was uns hilft, Ideen zu generieren, kann uns auch für manches taktische Vorgehen behilflich sein. Nicht dass ich den geraden Kurs verteufle und stattdessen den wankelmütigen Schlenkerkurs predige, aber immer dann, wenn die Gerade als kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten nur mit großem Aufwand zu beschreiten wäre, bietet es sich an, eine Alternativroute durchs Dickicht zu suchen.
Wir müssen uns vor Augen führen, dass es im Marketing darum geht, das Ziel zu erreichen (und zwar so ökonomisch wie möglich) und nicht darum, uns selbst als unnachgiebige, geradlinige Kämpfer zu profilieren. Der Guerilla stellt sich in den Dienst der Sache und macht sie sich nicht für seine privaten Profilierungsneurosen zunutze. Ich habe erlebt, wie Manager "ihren Weg" ohne Rücksicht durchgezogen haben - koste es was es wolle - im schlimmsten Fall die Existenz des Unternehmens. Kenichi Ohmae, der bekannte japanische Marketingstratege geht sogar noch einen Schritt weiter - am besten sei es, zu gewinnen, ohne kämpfen zu müssen. Wer sich hauptsächlich in der Auseinandersetzung mit seiner Konkurrenz definiert, verliert etwas aus den Augen, das noch wichtiger ist - den Kunden. Viele fernöstliche Kampfsportarten bauen auf diese Weisheit auf. Das Weiche besiegt das Harte, weil es dem Harten ausweicht, es ins Leere laufen läßt, während es selbst einen schnellen Umweg in Kauf nimmt, um dann im Rücken des Gegners zu stehen. Selbst Mao Tsetung betrachtete es in seinen militärischen Schriften zum Guerillakampf keineswegs als Schande, dem Feind auszuweichen: "Wenn eine Partisaneneinheit (...) in eine passive Lage gedrängt wird, hat sie die Aufgabe, sich mit allen Mitteln aus ihr zu befreien (...) In vielen Fällen ist es notwendig "wegzugehen"! Das Weggehen ist die Hauptmethode, um aus einer passiven Lage herauszukommen und die Initiative zurückzugewinnen!"
Die Entscheidung zwischen geradem Weg oder Umweg muss aus der Abwägung von Aufwand und Nutzen erfolgen. Selbst in Anbetracht des Zeitfaktors muss dabei der Umweg nicht unbedingt schlechter abschneiden - nach dem Motto "lieber 100 Meilen ohne Feindkontakt vorrücken, als 20 km in massivem Gefecht!" Die Alternative "Umweg" muss ausdiskutiert und als strategische Planung vorliegen - selbst dann, wenn man sich für den geraden Weg entschieden hat. Denn wer weiß, ob man nicht auf dem Weg auf Schwierigkeiten stößt und man froh wäre, einen Plan B in der Tasche zu haben. Ein Unternehmen, das die guerilla-elements®-Philosophie lebt, versucht, in den Köpfen seiner Entscheider das Denken in Alternativen zu verankern. Ein wichtiger Schritt dahin, ist aber auch die Etablierung einer Fehlerkultur. Wo Fehler zugegeben werden dürfen, kann auch aus ihnen gelernt werden.