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Sep
2009
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- Veröffentlicht: 12. September 2009
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Guerilla-Kriege (kleine Kriege) unterscheiden sich erheblich von den Szenarien des Carl von Clausewitz. Dennoch haben die strategischen Grundprinzipien der Guerilla-Philosophie bei weitem nicht jene Infiltration des Marketingdenkens erfahren wie die Kriegsszenarien des konventionellen Krieges zwischen zwei sichtbar aufeinander treffenden Gegnern (große Kriege) - Kriegsszenarien, die spätestens mit dem Ende des I. Weltkriegs überholt waren, in den Köpfen der Marketing-Führungskräfte aber bis heute eine ständige Inkarnation erleben.
Angesichts der Schwierigkeiten, eine nachvollziehbare Brücke zwischen Clausewitzs großem Krieg und einer realen Marketing-Situation von heute zu schlagen, stellt sich die Frage, ob eine klassische Marktsituation nicht generell eher mit einem kleinen Krieg - einem Guerilla-Krieg - zu vergleichen ist als mit einem klassischen großen Krieg mit seinem klaren Frontverlauf, sichtbaren Gegnern etc..

In Clausewitzs Beschreibungen eines großen Krieges gibt es zwei oder mehr Armeen, das Gebiet, in dem die Auseinandersetzung zwischen ihnen stattfindet und - wenn sie denn überhaupt erwähnt wird - die Bevölkerung. Unter der Überschrift „Wechselwirkungen zwischen den Kräften, die sich bekämpfen", zählt er die Kräfte, die im Krieg wirken auf: "die eigentlichen Streitkräfte, das Land mit seiner Oberfläche und Bevölkerung (und zwar nur mit dem Teil, der zum Kriegstheater gehört) und die Bundesgenossen."
Es spielen also mit:
- Zwei Länder, die sich bekriegen (in einem dieser Länder findet die Schlacht statt)
- Die Bevölkerung dieses Landes (zwangsläufig muss es dann aber auch eine Bevölkerung im Land des Angreifers geben)
- Die beiden Armeen dieser Länder.
Eine logische Analogie dieser Situation ins Marketing ist nicht herzustellen:
Wenn wir die Bevölkerung im Krieg mit unserer Zielgruppe im Marketing gleichsetzen, kommen wir bereits mit unserer Kriegs-Marketing-Analogie ins Schleudern. Denn in Clausewitzs Szenario gibt es zwei Bevölkerungen - die des Angreifers und die des Angegriffenen. In gängigen Marktsituationen hingegen gibt es nur eine einzige, inhommogene, stetig zwischen verschiedenen Anbietern wechselnde Zielgruppe. Es gibt nicht eine Zielgruppe des Angreifers und eine des Angegriffenen, sondern eine einzige Zielgruppe, um die alle Kontrahenten (Anbieter) buhlen. Und übersetzt man den Begriff "Land" aus dem Kriegsszenario mit "Markt", dann kann auch diese Analogie nicht befriedigen. Denn im klassischen "großen" Krieg existieren zwei Länder - beispielsweise das des Angreifers und das des Verteidigers. Marketingkonfrontationen zwischen verschiedenen Anbietern finden hingegen in einem einzigen Markt, innerhalb eines einzigen, gemeinsamen Systems statt.
Analogien zwischen herkömmlichen Kriegen, wie sie Clausewitz beschreibt, sind also kaum logisch in Marketingsituationen zu übertragen. Im Gegensatz dazu bietet jedoch das Szenario des Guerilla-Konflikts sehr wohl nachvollziehbare Analogien, bei denen die einzelnen Elemente des Krieges ihre Entsprechung im Marketingszenario finden. Denn in einem sogenannten „kleinen Krieg“ (Guerilla = Verkleinerungsform des spanischen Wortes für Krieg) exisitieren all jene „Teilnehmer“ wie wir sie auch in Wirtschaftsmärkten finden: z.B. ein starker Marktführer (der Staat, ein Regime, eine herrschende Elite), ein oder mehrere Markteinsteiger bzw. -Aufsteiger (die Guerillas), der Markt (der Staat), die Zielgruppen/pot. Kunden im Markt (das Volk). Das Buhlen der verschiedenen Anbieter um die anvisierte Zielgruppe findet innerhalb eines Systems, Marktes statt. So wie auch der Guerilla-Krieg innerhalb eines Staates abläuft und nur sehr selten zwei Staaten involviert. Solche logischen „Spiegelbilder“ aus dem Krieg ins Marketing herzuleiten, wird uns mit Analogien aus Clausewitzs Weisheiten kaum gelingen. Wäre es also sinnvoller, auf der Suche nach Ratschlägen für unser Marketing lieber bei Mao Tsetung, Che Guevara und Ho Chi Minh nachzuschlagen als beim preussischen General?
© 2009 / Von Franz Kuttelwascher