
30
Apr
2019
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- Veröffentlicht: 30. April 2019
angefangen hat eigentlich alles damit, dass ich das etikett des mehrweg-glases vom felsenhof-joghurt entfernte ... und siehe da ... auf der rückseite fand sich noch mehr hintergrundinformation zum eben verspeisten milchprodukt. von tierwohl und handarbeit war da die rede, von regionalität und von "großmutters zeiten" - alles begriffe, die üblicherweise auch in der verlogenen marketingwelt herhalten müssen. und dann stand da noch die aufforderung, man könne dem felsenhof über sein produkt ein feedback zukommen lassen - aber nicht einfach per mail oder über ein formular auf der website. nein. als flaschenpost im retournierten pfandglas. das fand ich als "analog"-fan richtig spannend. ob das funktioniert? gesagt, getan. und tatsächlich. ein paar tage nachdem ich den pfandautomaten im supermarkt mit meiner flaschenpost gefüttert hatte, meldete sich anka stöckler per mail bei mir. ich hatte sie um einen gesprächstermin gebeten und sie willigte ein, erbat sich allerdings noch zwei wochen frist, da dann die wichtigsten mitarbeiter ihres betriebs (die milchkühe) für ein etwaiges fotoshooting gelassener wären - denn dann dürften sie wieder draußen auf der weide grasen. an einem herrlichen dienstag im april machte ich mich also per bus auf den weg zum felsenhof. obwohl luftlinie nur 15 km von mir entfernt, brauchte es doch 1,5h bis zur endhaltestelle, von der ich noch mal ca. 1km zu fuß zum bauernhof laufen musste. ich genoss die kleine wanderung trotzdem in vollen zügen. und als ich mich dem hof näherte, war schon mal die erste skepsis verflogen. das ambiente glich auch in echt dem illustrierten bild auf dem joghurt-etikett. vielleicht könnte man auf der illustration noch irgendwo ein kleines männchen mit einem golfschläger einbauen. denn der golfplatz riefensberg grenzt an die gründe des felsenhofs (was - wie wir später noch erfahren - kein nachteil zu sein scheint).

/mein weg zum felsenhof führte wildromantisch über eine alte gedeckte holzbrücke über die weissach/
da stand ich nun vor einem richtigen bauernhof, josef-peter montierte mit seinem schwiegervater kaspar gerade den neuen heuwender und wenig später saßen wir auch schon alle am küchentisch: anka und josef-peter mit ihren vier kindern und anka's eltern annemarie und kaspar. letzterer hatte mit joghurt schon 1986 für den hausgebrauch "experimentiert". als klar wurde, dass mit dem eu-beitritt österreichs auch die milchpreise unter druck geraten würden, war die veredelung des rohstoffs "milch" eigentlich ein logischer weg - entweder in form von käse oder eben als joghurt. und das seit ende der 1980er-jahre bereits in bio-qualität. 27 kühe stehen im stall bzw. auf der weide. etwa ein fünftel der milch wird zu joghurt veredelt. desweiteren produziert man bergkäse und topfen. die restliche milch geht zu den käserebellen - die sennerei in sulzberg (zentrale in steingaden, allgäu, deutschland).


/aus der milch der 27 kühe wird nicht nur joghurt sondern auch bergkäse gemacht/
die vermarktung der felsenhof-produkte erfolgt größtenteils über die 1996 gegründete genossenschaft der sulzberger biobauern, bei der man von anfang an mitglied ist. die genosenschaft beliefert wöchentlich bis zu 120 geschäfte. im rheintal würde man sich aber noch weitere vermarktungs-partner wünschen. für die produkte des felsenhofs testet man aber auch neue vertriebskonzepte - so finden sich käse & joghurt demnächst auch in einem automaten am parkplatz des naheliegenden golfplatzes. viele wege führen zum kunden. da muss man erfinderisch sein.

/das verkaufs-hüttle am golfplatz riefensberg mit den bioprodukten vom felsenhof/

/leitkuh gusta freut sich wie der rest der herde über die satten gräser auf der weide/
wie wird aber jetzt auf einem ganz normalen bauernhof joghurt hergestellt? antwort: ziemlich handwerklich (also auch der hinweis "reine handarbeit" kein werbe-schmäh sondern eine ehrliche aussage). ganz klar - die mengen sind noch überschaubar. zweimal pro woche werden etwa 500 gläser abgefüllt - ausschließlich auf bestellung. so ist alles frisch und wird nicht auf lager produziert. und doch vermutet man als unbedarfter konsument stets eine riesige fabrikshalle und eine lärmende abfüllanlage. ganz anders am felsenhof. da kommt die milch in einen großen edelstahl-bottich, der in einem kleinen raum gleich neben dem stall steht, wird dort pasteurisiert (erhitzt) und dann mit enzymen sprich milchsäurebakterien versetzt. kaspar wirft mir die lateinischen namen um die ohren - lactobacillus bulgaricus, casei und acidophilus. "aha" staune ich nur stumm. 16 stunden später ist der (das?) joghurt dann fertig und wird - ganz ohne industrielle maschinerie - abgefüllt. jedes glas per hand. und auch jedes etikett wird per hand aufgeklebt. die ganze familie hilft zusammen. den größten arbeitsaufwand mache aber das reinigen der mehrweggläser aus. auch wenn von händlerseite der wunsch nach kunststoff-einwegverpackungen geäußert wurde, will man hier am mehrweg-glas festhalten. und auch die verpackungsgröße steht - nach einer umfrage bei kunden - nicht mehr zur diskussion. da die gläser mechanisch vorgereinigt werden, kommt außer einem normalen klarspüler keine chemie zum einsatz. die kinetische energie und die temperatur des wasserstrahls in der spülmaschine erledigen den rest. lediglich die deckel sind einweg-elemente und werden dem metall-recycling zugeführt.


/handwerkliche herstellung meines bio-joghurts vom felsenhof/
die zutaten der frucht-joghurts stammen entweder vom eigenen hof oder werden von österreichischen bzw. deutschen bio-bauern bezogen. und auch beim blick auf die friedlich grasenden kühe fällt etwas auf. allesamt haben sie noch ihre hörner. kaspar sieht das pragmatisch: "die natur macht alles richtig.... und wenn sie kühe mit hörner ausstattet, dann wird das wohl einen sinn haben". die verletzungsgefahr der kühe, wenn sie untereinander die hirarchie im laufstall festlegen, ist aus seiner sicht nicht größer als bei kühen ohne hörnern. "ganz im gegenteil", fügt josef-peter hinzu, "kühe mit hörnern tragen die kleinen kämpfe auf kopfhöhe aus - da wo auch die "gegnerische" kuh hörner und ein starkes stirnbein hat. kühe ohne hörner verletzen ihre rivalinnen oft durch ströße in die flanke, was oft schlimmere innere verletzungen zur folge hat." "wir kennen jede unserer kühe beim namen und sie kennen uns. wenn man am morgen in den stall geht, merkt man schon, wie sie heute drauf sind. und kann darauf eingehen." ergänzt schwiegervater kaspar. seine tochter anka empfindet es auch als wichtig, die menschen und die herstellungsart hinter dem produkt zu zeigen. "das schafft vertrauen!", meint sie und findet in mir den beweis. denn ich bin vollends begeistert und überzeugt, ein ehrliches, echtes produkt zu genießen, das außerdem keine weiten wege zurücklegt, bis es bei mir zuhause am tisch landet. ich hab wieder einiges über die herstellung von lebensmitteln gelernt und mache mich auf den heimweg über wiesen, wege und eine kleine gedeckte brücke, die über die weißach führt. ein dankeschön an die familien kohler und stöckler vom felsenhof für die freundliche aufnahme und das interessante gespräch.
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